Die Schweiz liegt mitten in Europa. Nicht nur geografisch, sondern auch kulturell, weltanschaulich und vor allem wirtschaftlich ist sie voll integriert und fester Bestandteil dieses Kontinents. Es besteht eine gegenseitige Befruchtung und Abhängigkeit. Die Schweiz muss alles daran setzen, mit Europa gute und freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten.
All das ist möglich, ohne dass die Schweiz dem politischen, supranationalen Europa, nämlich der EU, beitritt.
Die Schweiz ist die geografische Mitte Europas. Schon das alleine zeigt, dass unser Land ein zentraler und integraler Bestandteil dieses Kontinents ist. Die abendländische, christlich geprägte Kultur verbindet uns ideologisch und moralisch. Unser Verhältnis zu den angrenzenden europäischen Staaten hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Kurz: wir sind ein europäisches Land.
Betrachtet man die gegenseitige Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt her, so zeigt sich eine geradezu massive wirtschaftliche Verflechtung.
Europa ist mit Abstand der grösste Handelspartner der Schweiz. Die Schweiz hat im Jahre 2013 Waren im Gesamtwert von 133 Milliarden Franken nach Europa exportiert, wovon 116 Milliarden Franken in die EU-Länder gingen. Das sind fast 55 Prozent aller Ausfuhren. Mit Abstand grösster Handelspartner ist Deutschland mit exportierten Waren im Wert von fast 40 Milliarden Franken.
Als Vergleich sei hier aufgeführt, dass die Waren, welche nach ganz Asien exportiert wurden mit etwa 47 Milliarden Franken und diejenigen in die Vereinigten Staaten mit etwa 25 Milliarden Franken zu Buche schlugen.
Die Einfuhren aus der EU betrugen 135 Milliarden Franken, wovon alleine etwa 52 Milliarden aus Deutschland kamen. Damit ist die Schweiz der viertwichtigste Handelspartner der EU nach den USA, China und Russland. (BfS)
Zudem leben etwas 1.2 Millionen EU-Bürger in der Schweiz und umgekehrt haben sich etwa 430’000 Schweizer in der EU niedergelassen.
Daraus lässt sich ableiten, dass bei jetziger Faktenlage ein schöner Teil unseres Wohlstandes direkt mit Europa verknüpft ist. Es kann eingewendet werden, dass sich diese Abhängigkeit langsam zu Gunsten anderer Wirtschaftsblöcke, wie zum Beispiel Asien, verschiebt. Ja, aber ziemlich langsam.
Damit wird klar, dass die grosse wirtschaftliche Abhängigkeit von Europa noch einige Zeit bestehen bleibt.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es umso mehr, dass gewisse Kreise und Kommentatoren keine Möglichkeit auslassen, Europa und die EU schlecht zu reden und zu diskreditieren. Man erhält den Eindruck als seien Europa und die EU Feinde die es zu bekämpfen gilt. Ja, man hört sogar gelegentlich, dass wir doch Europa gar nicht brauchen. Quasi eine autarke Schweiz, die auch alleine zurechtkommt.
Das ist natürlich Blödsinn und pure Verkennung der Tatsachen.
Was ist also zu tun? Soll die Schweiz deshalb der EU beitreten?
Ich nehme die Antwort gleich vorne weg: Nein.
Die EU zu verteufeln und zu brandmarkten ist ebenso falsch wie sie kritiklos in den Himmel zu loben. Aus meiner Sicht betrachtet, gibt es eine ganze Anzahl guter Gründe, warum die Schweiz, zumindest im jetzigen Zeitpunkt, auf keinen Fall der EU beitreten sollte.
Die EU ist ein Staatenverbund, also eine supranationaler Mantel über 28 europäische Länder mit 500 Millionen Leuten und einer Wirtschaftsleistung von etwa 17.3 Trillionen USD. Diese ist ähnlich wie diejenige der Vereinigten Staaten.
Die EU ist eine sehr komplexe und schwerfällige Organisation geworden. Das Budget beträgt sagenhafte 142 Milliarden Euro. Die EU Kommission, die eigentliche Exekutive der EU, beschäftigt alleine 33`000 Personen. Die EU hat 24 Amtssprachen und jedes Dokument ist in all diesen Sprachen verfügbar. Das führt dazu, dass die EU Kommission zum Beispiel alleine 600 festangestellte und 3000 freiberufliche Dolmetscher beschäftigt.
Das soll illustrieren, dass die EU in der Tat eine Art Bürokratiemonster ist. Da haben die Kritiker Recht. Solch komplexe, zentralistische Strukturen ist etwas, das einer föderalistisch und nach wie vor vergleichsweise effizient organisierten Schweiz ein Gräuel ist.
Die Geschichte hat auch gezeigt, dass solche grossen supranationalen Gebilde bisher nie überlebt haben. So sind das Mongolenreich von Genghis Khan, das römische Reich und die ehemalige Sowjetunion verschwunden. Die Unterschiede in Mentalität, Prioritäten und Weltanschauung und nicht zuletzt die Komplexität waren zu gross.
Der wirtschaftliche Zusammenschluss und der gemeinsame Markt und viele der damit verbundenen Regeln machen jedoch meistens Sinn und haben Europa wirtschaftlich weitergebracht.
Trotzdem steht die Schweiz wirtschaftlich viel besser da als die meisten europäischen Länder. Rekordtiefe Arbeitslosigkeit, eine ausgeglichene Staatsrechnung und eine Verschuldung von 49% des BIP sind Resultate, von denen die meisten Länder nur träumen können.
Auch hier besteht also kein Grund, aktive einer Nivellierung nach unten Vorschub zu leisten.
Der triftigste Grund, warum es für die Schweiz unklug wäre der EU beizutreten, betrifft jedoch die Rechtssetzungsprozess.
Dieser läuft unserer Souveränität, unserer direkten Demokratie und unserer Neutralität diametral entgegen. Die Gesetze, die von den europäischen Institutionen – Kommission, Rat und Parlament – beschlossen werden, sind mehrheitlich supranationales, also übergeordnetes, Recht. Diese Erlasse sind bindend und können von den einzelnen Staaten nicht widerrufen werden.
Würde sich die Schweiz diesem Prozedere unterwerfen, wäre die Eigenständigkeit und vor allem die direkte Demokratie massiv eingeschränkt. Zwar hätte die Schweiz eine gewisse Mitsprache, was jedoch stark zu relativieren ist, da die Stimmenstärke im europäischen Parlament klein wäre und der EU-Ministerrat nach dem Mehrheitsprinzip entscheidet.
Was muss die Schweiz nun also tun, wenn sie nicht in die EU soll, aber Europa von so immenser Bedeutung für unseren Wohlstand ist?
Zuoberst steht eine positive und konstruktive Haltung der EU gegenüber. Wir müssen uns selbstbewusst, aber konstruktiv und lösungsorientiert in die Diskussionen einbringen. Wir müssen uns hilfsbereit zeigen und unsere Trümpfe (finanzielle Ressourcen für Kohäsionszahlungen oder dergleichen, zentrale Lage in Europa, Verkehrs – und Energieknotenpunkt) in die Waagschale werfen.
Es muss sich für die Länder Europas und die EU lohnen, die Schweiz zu unterstützen und Lösungen zu finden. Wir müssen aber verstehen, dass es ein Nehmen und Geben sein wird. Ohne Gegenleistung gibts nichts! Die Beziehungen zwischen Ländern sind schliesslich auch immer Beziehungen zwischen den Entscheidungsträgern der Länder, wie Beziehungen zwischen Firmen immer Beziehungen zwischen Mitarbeitern sind.
Ich plädiere daher für eine intensive und aktive Aussenpolitik der Regierung. In vielen persönlichen, guten Kontakten mit den Entscheidungsträgern lässt sich die Situation auf einer informellen Ebene diskutieren und Vertrauen schaffen. Jemandem den man mag und dem man vertraut, ist man eher bereit entgegenzukommen oder Hand zu einem Kompromiss zu bieten.
Erste Priorität geniesst jetzt klar die Umsetzung der MEI unter Einhaltung der Bilateralen I und die Diskussionen und Verhandlungen über die institutionellen Fragen.
Die Schweiz liegt im Zentrum des Kontinents und ist ein fester Bestandteil von Europa. Beide Seiten haben Interesse an guten und freundschaftlichen Beziehungen. Natürlich wird uns, als nicht EU-Land, niemand Geschenke machen. Aber die anstehenden Herausforderungen sind lösbar.
Es ist aber wichtig, eine unserer grössten Tugenden, nämlich die Kompromissbereitschaft, bei den Verhandlungen nicht zu vergessen.
Für eine moderne, weltoffene Schweiz inmitten von Europa‚ auch ohne EU-Beitritt.
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