Seit der Öffnung Chinas im Jahre 1978, hat sich das Land mit einem grossartigen strategischen Plan zur zweitgrössten Wirtschaftsmacht emporgearbeitet. Mit dem politischen Programm “Made in China 2025” ist die nächste Phase angebrochen. Bis 2025 will man zur Hightech-Nation aufzusteigen und bis im Jahre 2049 die globale Technologieführerschaft übernehmen. Der Plan ist, das fehlende Know-how durch zahlreiche Firmenübernahmen im Westen zuzukaufen. Der Markt ist aber durch die Einflussnahme des chinesischen Staates verzerrt und weder fair noch frei. Die Schweiz braucht politische Regeln, die dafür sorgen, dass der Verkauf von Schlüsseltechnologien nach China verhindert werden kann.
China denkt langfristig
Ob die Geschichte der Chinesischen Zivilisation nun 5000 Jahre alt ist oder erst um 1600 v. Christus mit der Shang Dynastie beginnt, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, die Chinesen denken in grösseren Zeiträumen und sehr strategisch!
Im Dezember 1978 legte Deng Xiaoping die Basis für eine Ära der Reformen und der Öffnung nach aussen, sowie einer Modernisierung des sozialistischen Chinas.
Seither ist China mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von zwischen etwa sieben und mehr als zwölf Prozent zur global zweitstärksten Wirtschaftsmacht aufgestiegen.
Doch so zufällig geschah diese wundersame Wandlung von der kollektivierten Landwirtschaft und Planwirtschaft zur sozialistischen Marktwirtschaft nicht. Das Ganze ist Teil eines strategisch ausgefeilten Plans, der mit dem momentanen Erwerb von westlichen Technologiefirmen durch chinesische Unternehmen einen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat.
China war im Jahre 1978 technologisch hoffnungslos rückständig. Die einzig kurzfristig verfügbare Ressource waren hunderte Millionen von billigen Arbeitern. Also hat man sich als Werkstatt der Welt etabliert. Aber auch hier ist man sehr überlegt vorgegangen. Man hat nicht einfach Firmen ins Land gelassen, um sie von den billigen Arbeitskräften profitieren zu lassen. China hat mit geschickten Regeln versucht, das Know-how der ausländischen Firmen anzuzapfen. So waren anfänglich nur Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen, meist vom Staat kontrollierten, chinesischen Firmen möglich (sogenannte Joint-Ventures). In etlichen Bereichen ist das heute immer noch der Fall und in gewissen strategisch wichtigen Segmenten, wie zum Beispiel der Automobilindustrie, gibt es Auflagen zum Kapital-Anteil des chinesischen Partners.
Diese Regelung erlaubte es den chinesischen Unternehmen per Dekret Zugang zum jeweiligen Wissen des westlichen Partners zu erlangen. Die Geschichten mit gescheiterten Partnerschaften und Know-how Klau sind zahlreich und gut dokumentiert.
China hat sich damit im Schnellverfahren das Wissen und das technische Rüstzeug, das im Westen über mehr als 100 Jahre mühsam aufgebaut wurde, geschickt angeeignet.
Gleichzeitig hat der Staat durch den massiven Handelsbilanzüberschuss riesige Beträge an Fremdwährungen aufgebaut. Diese werden jetzt – in der nächsten Phase der Langfriststrategie – gezielt und geschickt eingesetzt.
Die nächste Phase
Nachdem China nun über 30 Jahre als Werkbank der Welt gute Dienste geleistet hat, drängt sich der nächste Schritt auf. Einerseits haben sich die Kosten in dieser Zeit vervielfacht und zudem hat die Ein-Kind-Politik dazu geführt, dass der Zustrom von zusätzlichen Arbeitskräften versiegt ist. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich hat vor kurzer Zeit mit „Made in China 2025“ für sein Land die Parole ausgegeben, innerhalb von zehn Jahren zu einer Hightech-Nation aufzusteigen. Bis 2035 soll „das mittlere Niveau“ westlicher Länder erreicht sein, bis im Jahre 2049 (dem 100-jährigen Geburtstag der Volksrepublik China) will man in sämtlichen Schlüsselbranchen die technologische Weltmarktführung übernehmen.
Doch wie macht man das? Ziemlich einfach: man lanciert eine High-Tech-Revolution. Da man aber nicht genug Zeit und Ressourcen hat, um sich das alles selbst zu erarbeiten, kauft man sich die fehlenden Teile zu. Man hat sich ja das Basiswissen durch geschickte staatliche Regeln relativ einfach unter den Nagel gerissen. Jetzt geht es darum, die Wissens-Lücken zu schliessen. An Geld mangelt es auch nicht.
Laut einer nicht öffentlichen Studie der Credit Suisse sind chinesische Investoren für ein Fünftel aller Firmenübernahmen weltweit verantwortlich. Übernahmen von Firmen wie Volvo, Gategroup oder Syngentha sind uns in bester Erinnerung.
Der Staat bestimmt und verzerrt
Es ist im Geschäftsleben nichts Aussergewöhnliches, dass sich private Firmen andere Firmen kaufen, um bewusst und rasch an Knowhow heranzukommen.
Doch die Sache liegt hier ziemlich anders. Zwar sind es Firmen, meist staatsnah und mit undurchsichtigen Besitzverhältnissen, die auf Einkaufstour gehen, doch das Ganze ist Teil eines politischen Programms unter Kontrolle der Zentralregierung. Die Firmen sind oft nichts anderes als der verlängerte Arm der Regierung.
Während private Firmen solche Einkäufe vor ihren Besitzern und aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen müssen, spielt das bei den vom chinesischen Staat inszenierten, strategischen Einkaufstouren kaum eine Rolle. Sehr hohe Kaufpreise sind die Regel.
Doch damit nicht genug. Chinesische Unternehmen haben massive Vorteile. Sie können sich über Subventionen, günstige Kredite und beschleunigte Genehmigungsverfahren freuen. Zudem bestehen innerhalb Chinas auf Provinzebene riesige Programme zur Unterstützung der strategisch als wichtig erachteten Bereiche. So hat alleine die Provinz Guangdong im Süden Chinas 150 Milliarden Dollar zur Förderung von Automatisierung und Innovation in Robotik in Aussicht gestellt.
Auch hier stoppt die Ungleichbehandlung und der unfaire Wettbewerb noch nicht. Während chinesische Firmen mit Milliardenbeträgen westliche Firmen kaufen, ist es in China wegen zahlreicher Beschränkungen und Verbote für europäische Firmen nicht möglich, in ähnlichem Umfang zu investieren.
Längerfristig ist es das Ziel Chinas, ausländische durch chinesische Technologien zu ersetzen. Das wird jetzt schon subtil orchestriert, indem für Technologien in denen die Chinesen bereits zum Westen aufgeholt haben, plötzlich neue Hürden in den Weg gestellt werden. Sei es durch Zollschranken, neuen Regeln bei der Zulassung, steuermässige Bevorteilung von chinesischen Produkten und dergleichen.
Soll man etwas dagegen tun?
Man kann sich darauf verlassen, dass der Markt es richten wird. Nur haben wir es hier eben nicht mit einem freien und fairen Markt zu tun, sondern mit einem politischen Programm. Und es ist nicht irgendwer, der dieses Programm fährt, sondern die chinesische Regierung.
Es ist nicht nur naiv, sondern geradezu fahrlässig, sich staatlich orchestriert den technologischen Vorsprung, der unsere einzige Chance ist, uns im internationalen Wettbewerb zu behaupten, vor der Nase wegkaufen zu lassen.
Die Hoffnung, dass es wohl kaum so schlimm kommen wird und die Chinesen es entweder nicht schaffen werden oder dann Nachsicht walten lassen, dürfte sich im harten Alltag und bei etwas Erfahrung mit dem chinesischen Wertesystem rasch zerschlagen.
Während in den USA schon länger politische Möglichkeiten bestehen, solche Übernahmen zu verhindern, ist die EU daran, solche einzuführen. Nur in der Schweiz döst man gutgläubig vor sich hin.
Wir sollten uns die technologischen Kronjuwelen nicht unter der Nase wegkaufen lassen. Wir brauchen eine Bewilligungspflicht und Interventionsmöglichkeiten für den Verkauf von Schlüsseltechnologien an China.
Wenn der Markt nicht spielt, weil die chinesische Politik diesen verzerrt, muss die schweizerische Politik dagegenhalten. Es geht um zu viel.
Quellen:
https://thediplomat.com/2016/12/chinas-high-tech-strategy-raises-the-heat-on-industrial-countries/
http://www.ingenieur.de/Politik-Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/Von-Senger-Der-Westen-versteht-China
http://english.gov.cn/2016special/madeinchina2025/
Schweiz am Wochenende, 21./22.10.2017
Comments
Thomas Verasani
Ein Kompliment zu diesem Artikel. Die Ausgangslage bringt es auf den Punkt.
Es gibt einen Aspekt, wo ich die Meinung nicht teile: “Wir brauchen eine Bewilligungspflicht und Interventionsmöglichkeiten für den Verkauf von Schlüsseltechnologien an China.”
Die grössten Investoren in China sind: Auslandschinesen. Da sind USA und EU mit 3% und 2% Investitionskraft im lächerlichen Bereich. Ob Schweizer Firmen von Auslandschinesen oder Chinesen gekauft werden, dürfte wohl egal sein. Aus diesem Grund halte ich die vorgeschlagene Lösung für wirkungslos.
Es braucht einen Kulturwandel und der müsste jetzt eigentlich schon angefangen haben. Schweizer (und auch europäische) Investoren müssten wieder Lust haben, im eigenen Land oder auf dem eigenen Kontinent zu investieren. China hat das eigene Bürokratieproblem (nach 5’000 Jahren wohl zu Perfektion getriebene Bürokratie) ausgehebelt mit dem Schaffen von Freihandelszonen. Wir sollten uns ernsthaft überlegen, ob solche Freihandelszonen für uns ebenfalls hilfreich sein könnten. Überregulierung und eine Vorgabenflut hemmen die Investitionslust.
Agilität – alle reden davon; viele haben kein Plan – könnte eine Stärke von Europa werden, wenn man gezielt daran arbeitet. Da braucht es den Willen und die Lust dazu, sich stetig weiter zu entwickeln. Leider nutzen wir solche Möglichkeiten heute nicht oder zu wenig (wir laben uns an einzelnen Beispielen und ignorieren die Masse, die meilenweit davon entfernt ist). Wir geben uns mit Mittelmass zufrieden. Und gegen eine Kultur, in der “Gewinnen” oder “der Beste sein” zu einem erstrebenswerten Wert gehalten wird, haben wir mit Mittelmass keine Chance. Wir müssen als Volkswirtschaft wieder lernen, schneller, besser und unkomplizierter zu werden.
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