Einmal mehr steigen die Krankenkassenprämien 2018 um durchschnittlich 4%. Und wieder gibt es einen grosse Aufschrei darüber. Jahr für Jahr sehen wir das gleiche Ritual und nichts passiert. Es ist zweifellos so, dass die Prämien ein riesiges Loch in jedes Haushaltbudget reissen. Doch nur darüber jammern bringt nichts. Es braucht Taten.
Es ist auch die Zeit, wenn sich die Experten und Politiker damit überbieten, die Patentrezepte zur Kosteneindämmung zu präsentieren. Interessant ist, das kaum jemand bereit ist, der unangenehmen Wahrheit ins Auge zu schauen und das Problem an der Wurzel anzugehen. Nicht nur die Sozis schlagen in bekannter Manier vor, andere bezahlen zu lassen, indem sie, wie kürzlich angekündigt, die Prämien auf 10% des verfügbaren Haushaltseinkommen beschränken wollen. Doch auch wenn man sich beim anderen bedient, ist damit noch kein Franken gespart.
Wenn man tiefere, oder zumindest nicht mehr weiter steigende Prämien will, muss man das Problem angehen, indem man das System grundsätzlich und die Kostentreiber im speziellen ins Visier nimmt. Zur Veranschaulichung: Unser Gesundheitssystem kostet uns 84 Milliarden Franken pro Jahr, wie Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich berechnet hat, währendem das gesamte Budget der Eidgenossenschaft weniger als 70 Milliarden Franken beträgt.
Das fundamentale Problem im Schweizerischen Gesundheitswesen ist die Tatsache, dass niemand ein Interesse daran hat, zu sparen. Die Leistungserbringer wollen verständlicherweise so viele Leistungen wie möglich verkaufen. Ihr Verdienst ist direkt proportional dazu. Die Krankenkassen haben wenig Interesse an tieferen Kosten, da sie diese einfach jedes Jahr mit Prämienerhöhungen ausgleichen können. Die Patienten leiden zwar unter den hohen Prämien (erwähnt sei hier, dass Prämien weniger als 40% der Gesamtkosten decken – der Rest wird durch Steuereinnahmen beglichen), wollen aber die bestmögliche Behandlung. Oft leiten die Patienten aus den hohen Kosten erst recht einen Anspruch auf eine Maximalbehandlung ab. Das Gesundheitswesen wird zum Selbstbedienungsladen.
Fehlender Wettbewerb
Im Gesundheitswesen haben wir den einzigen Wirtschaftszweig, der eine gesetzlich garantierte Abnahmegarantie hat. Alle Leistungserbringer, vom Arzt, über den Physiotherapeuten bis zum Chiropraktiker dürfen ihre Leistungen mit jeder Krankenkasse abrechnen. Für die Kassen besteht Vertragszwang. Das führt dazu, dass auch teure, ineffiziente oder einfach schlechte Ärzte und Therapeuten ihre Leistungen abrechnen dürfen. Niemand muss die Nutzen einer Behandlung den Kosten gegenüberstellen. Alles was im Leistungskatalog enthalten ist, wird vergütet.
Es muss zwischen den verschiedenen Leitungsanbietern dringend Wettbewerb geschaffen werden und die Kassen müssen die Möglichkeit haben, die Leistungserbringer auszuwählen. Wir werden dadurch innert Kürze eine riesige Effizienzsteigerung und eine Kostenreduktion sehen.
Selbstverantwortung des Patienten
In der Schweiz kann ein Patient, der in der Grundversicherung versichert ist, grundsätzlich unbeschränkte medizinische Leistungen beziehen. Er zahlt neben der Prämie bei einer Franchise von 300 Franken plus Selbstbehalt pro Jahr maximal 1000 Franken aus dem eigenen Sack.
Nicht wenige Patienten haben auf Grund der hohen Prämienlast das Gefühl, sie müssten nun auch entsprechend Leistungen beziehen. Die vielen Arztbesuche für Bagatellen, dies oft in den teuren Notfallaufnahmen der Spitäler, sind hinlänglich bekannt. Die Patienten kommen gemäss Aussagen von Ärzten heute mit klaren Forderungen nach bestimmten Behandlungen oder bestimmten Medikamenten zum Arzt. Die Informationen haben sie dem Internet entnommen oder sie wollen die gleiche Behandlung wie der Nachbar sie erhalten hat. Die Ärzte haben hier leichtes Spiel, da die Kassen ja eh alles bezahlen müssen und jede zusätzliche – auch unnötige – Behandlung Mehrverdienst bedeutet.
Wie immer, steuert man Konsumverhalten am besten über den Geldbeutel. Höhere Selbstbehalte oder Regeln, dass bei jedem Arztbesuch die ersten 70 oder 100 Franken selbst bezahlt werden müssen, könnten dem Abhilfe schaffen.
Obschon es bei ambulanten Behandlungen bereits jetzt Pflicht ist, dem Patienten eine detaillierte Rechnung zukommen zu lassen, wird das oft nicht gemacht. Es sollte Pflicht sein, dass jeder Patient die detaillierte Rechnung mit den erbrachten Leistungen kontrolliert, hinterfragt und visiert. Das macht man bei jedem Handwerker, der den Spülkasten repariert auch so.
Leistungskatalog und teure Leistungen am Lebensende
Wenn die Kosten ein Niveau erreichen, das nicht mehr tragbar ist, müssen auch die versicherten Leistungen hinterfragt werden. Der Leistungskatalog der Grundversicherung ist sehr umfangreich.
Es drängt sich auf, den Leistungskatalog zu reduzieren. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, ob es angebracht sei, dass fünf alternative Heilmethoden Teil der Grundleistungen sind.
Die Demografie hat einen grossen Einfluss auf die Gesundheitskosten. Während 20 bis 60 Jährige zwischen 300 und 650 Franken pro Person und Monat kosten, sind es für die 80 bis 95 Jährigen zwischen 2000 und 4300 Franken pro Person und Monat.
Obschon wir uns hier auf schwieriges ethisches und moralisches Terrain begeben, müssen wir uns in der momentanen Situation die Frage stellen, ob jeder bis zum letzten Tag die von ihm gewünschte Behandlung beanspruchen darf. Soll dem 85-Jährigen mit Darmkrebs im Stadium 4 noch die volle Therapie ermöglicht werden, wenn man weiss, dass eine Behandlung mit dem Medikament Avestin der Firma Roche um 35 Tage länger zu leben, insgesamt 37’600 Franken kostet?
Soll am 90-Jährigen wirklich noch eine Aortenklappen-Operation am offenen Herzen mit Kosten von 40’000 bis 50’000 Franken durchgeführt werden, um geschwächt noch ein paar Monate länger zu leben?
Es muss Aufklärung betrieben werden, damit die Patienten und ihre Angehörigen nicht mehr alles verlangen, was medizinisch auch machbar ist.
Der medizinische Fortschritt als Chance
Eine weitere Komponente, die oft als Begründung für die davongaloppierenden Kosten genannt wird, ist der medizinische Fortschritt. Doch möglicherweise ist das eher eine Chance als ein Kostentreiber. Die besseren Methoden erlauben eine genauere Diagnose und die neuen Behandlungsmethoden eine raschere und effizientere Behandlung. Erforderte eine Gallenblasenentfernung vor ein paar Jahren noch drei bis fünf Tage Spitalaufenthalt, wird diese nun mittels laparoskopischer Cholezystektomie ambulant durchgeführt.
Die Nutzung von Innovativen und neuen Diagnose – und Behandlungsmethoden funktioniert nur, wenn unter den Leistungserbringern Wettbewerb herrscht. Wird alles bezahlt, wird der Leistungserbringer nämlich die teuersten Methoden anwenden und den maximal erlaubten Betrag in Rechnung stellen. Steht er aber in Konkurrenz und muss sich permanent bewähren um von der Klasse weiterhin bezahlt zu werden, wird er sich Geräte zulegen, die ihm Kostenersparnis ermöglichen und er wird die Leistung so in Rechnung stellen, dass er konkurrenzfähig bleibt.
Wollen wir die Kosten in den Griff bekommen, müssen wir vom Selbstbedienungsladen Abschied nehmen. Es müssen Anreize geschaffen werden, damit alle Beteiligten, Leistungserbringer, Krankenkassen und Patienten, einen Anreiz zum Sparen haben.
Sich einfach zu beklagen und die Kosten neu zu verteilen, schafft keine Abhilfe. Es muss zwingend gehandelt werden.
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