Als Kleinstaat muss die Schweiz dafür sorgen, dass sie in dieser globalen Welt relevant bleibt. Die anderen Nationen, insbesondere die grossen, müssen ein Interesse an einer erfolgreichen Schweiz haben, sonst droht uns Ungemach. Wir sind daran, diese Tatsache aus den Augen zu verlieren und am Ast zu sägen, auf dem wir bequem sitzen.
Ein schöner Teil der Diskussionen der letzten Monate hat sich angehört als sei die Schweiz komplett autonom und brauche niemanden, schon gar nicht die EU. Die verwendete Kriegsrethorik war unschön. Man hatte den Eindruck, die Schweiz sei eine Art Grossmacht und mit der EU quasi im Krieg.
Selbstbewusstsein ist gut, aber Arroganz hat sich noch selten ausbezahlt und blinde Missachtung der Faktenlage kann sogar existentiell bedrohend werden!
Tatsache ist: die Schweiz ist ein Kleinstaat. Kleine Staaten brauchen gute Freunde. Die erfolgreichen Kleinsaaten sind alle wirtschaftlich stark mit der ganzen Welt verbunden und erzielen einen guten Teil der Wertschöpfung durch Handel mit dem Ausland. Also braucht es ein gutes Einvernehmen.
Es ist keineswegs so, dass die Schweiz losgelöst und unabhängig vom Rest der Welt existieren kann. Zudem ist unsere Existenz nicht auf ewig garantiert.
Lee Kuan Yew, der Gründer des Stadtstaates Singapur und erster Premierminister, hat zum Überleben von Kleinstaaten unter anderem folgendes gesagt: „ … wir müssen uns relevant machen, so dass andere Länder ein Interesse an unserem weiteren Überleben und unserem Reichtum, als souveräne und unabhängige Nation, haben.“
Wie stellen wir sicher, dass die Schweiz weiterhin relevant bleibt?
Souveränität und Unabhängigkeit in einer globalen Welt
Die Schweiz muss ein eigenständiges Land mit weitgehendster Autonomie sein und bleiben. Nur müssen wir erkennen, dass die Welt zusammengerückt ist. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass wir nicht mehr nur unser eigenes Boot steuern, sondern mit dem Rest der Welt im selben Boot sitzen.
Wir können uns dieser Tatsache nicht entziehen. Also braucht es eine neue, angepasste Definition von Unabhängigkeit und Souveränität.
Wenn sich Menschen, Geld und Güter relativ frei, grenzüberschreitend global bewegen, kommen wir nicht umher, mit unseren Partnern gemeinsame Regeln zu definieren und Verträge abzuschliessen. Das kann auch einmal bedeuten, dass man in gewissen Bereichen etwas geben muss, um etwas anderes zu erhalten. So funktioniert die Welt!
Gute Freunde sind überlebenswichtig
Als Kleinstaat brauchen wir gute Freunde, die uns helfen, für uns einstehen und wenn nötig beschützen. Zu glauben, dass das für die Schweiz nicht gilt, wird in die Sackgasse führen. Ich rede hier nicht einer Anbiederung das Wort, aber einer klaren Strategie, wie wir uns wieder mehr Freunde machen können. Wir müssen dafür sorgen, dass der Freund ein Interesse daran hat, dass es uns gibt und uns gut geht und wir erfolgreich sind. Also müssen wir uns für ihn nützlich machen. Ganz einfach!
Unsere finanziellen Möglichkeiten, unsere Innovationskraft, unser Finanzplatz, unsere guten Dienste, unsere Neutralität sind alles Elemente, die uns als Land attraktiv machen.
Wirtschaftlicher Erfolg ist eine Grundvoraussetzung
Der Schweiz geht es gut. Wir sind erfolgreich. Aber wir dürfen nicht vergessen: Europas Geschichte zeigt, dass Reichtum auch wieder wegschmelzen kann. So haben die italienischen Städte ihren Reichtum zur Zeit der Renaissance wieder verloren und der Glanz des französischen Sonnenkönigs sind heute nur Erinnerungen. Ein Blick nach Spanien mit mehr als 20 Prozent Arbeitslosen und verarmten Familien sind ebenfalls ein klarer Weckruf!
Wir müssen alles daran setzen und die Voraussetzungen erfüllen, dass wir auch weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sind. Nur ein erfolgreiches Land hat die Mittel, einen Sozialstaat zu finanzieren, in Infrastruktur, Bildung und Verteidigung zu investieren. Nur ein solventes Land kann zudem mit Beiträgen an die Internationale Staatengemeinschaft in Form von Entwicklungshilfe, IMF Darlehen oder Kohäsionszahlungen ihren Beitrag leisten.
Aussenhandel ist die Triebfeder unserer Wirtschaft. Die Schweiz gehört zu den Ländern mit den höchsten Anteilen des Aussenhandels am Bruttoinlandprodukt.
Also brauchen wir gute Beziehungen zu all unseren wichtigsten Partnern.
Um als Hochpreis – und Hochlohnland konkurrenzfähig zu sein, muss unsere Wirtschaft effizienter und innovativer sein als die der Konkurrenten. Um Innovation voranzutreiben und qualitativ hochstehende Produkte zu produzieren und Dienstleistungen zu erbringen, brauchen wir qualifizierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte.
Der Mangel an Mathematikern, Informatikern, Naturwissenschaftlern und Technikern und die Demografie stellen uns in dieser Beziehung vor Herausforderungen. Wir müssen unsere Leute gut ausbilden und die existierenden Ressourcen in der Schweiz nutzen. Eine stattliche Anzahl dieser Spezialisten müssen wir aber, ob wir’s nun wollen oder nicht, im Ausland rekrutieren.
Also, eine wenn immer möglich selbst gesteuerte, aber vernünftige und pragmatische Einwanderungspolitik, die genügend Fachkräfte garantiert.
Flexibilität und Antizipation der Zukunft neu erfinden
Es ist unbestritten, dass die Veränderungen in immer rascherer Abfolge geschehen. Sei es auf technologischer Ebene, bei gesellschaftlichen Entwicklungen oder auf dem politischen Parkett.
Neue Rahmenbedingungen oder Problemstellungen erfordern neue Lösungen und diese oft schneller, als wir uns das gewohnt sind. Die Firmen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, haben das bereits vorbildlich verinnerlicht.
Auf gesellschaftlicher Ebene und in der Politik ist es wichtig, besonnene und ausgereifte Entscheidungen zu treffen. Dennoch ist es ein Muss als Land die Zukunft zu antizipieren und wo möglich mitzugestalten. Aktive Voraussicht ist passivem Reagieren vorzuziehen.
Wir dürfen nicht durch emotionale und hitzige Detaildebatten den Blick auf das für uns matchentscheidende Grosse verlieren. Will die Schweiz in dieser Welt weiter relevant sein, muss sie die obigen Grundsätze verinnerlichen.
Für eine selbstbestimmte, pragmatische aber weltoffene und visionäre Schweiz!
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