Die Diskussion über die Folgen des abgehalfterten Frühfranzösisch im Kanton Thurgau zielt am Problem vorbei. Nicht dass die Schüler später Französisch lernen, sondern dass sie die Sprache trotz Unterricht nicht beherrschen, ist das Problem.
Die kürzliche Entscheidung des Kantons Thurgau, das Frühfranzösisch in der Primarschule zu streichen und den Fokus auf Englisch zu richten, hat eine grosse Kontroverse ausgelöst.
Niemand will dort das Französisch ganz weglassen. Der Kanton Thurgau will nur die Prioritäten anders setzen und dieses auf später verschieben. Also keine Panik bitte!
Zudem ist Englisch halt nun einmal die Weltsprache Nummer 1! Weiter finde ich interessant, dass man Italienisch, welches ja auch eine offizielle Landessprache ist, kaum einmal erwähnt.
Die ganze Diskussion und Panikmache betreffend gefährdetem Zusammenhalt der Schweiz und andere Argumenten, vor allem von Seite der SP unter Führung von NR Aebischer, zielt am eigentlichen Problem vorbei.
Es bestreitet niemand, dass Sprachen wichtig sind und zum gegenseitigen Verständnis beitragen. Nur muss man die Sprachen auch sprechen können!
Ein einfaches “Bonjour” oder “Je m’appelle Karl …” reicht nicht aus.
Die vielen Kommentare im Zusammenhang mit der Diskussion und auch meine eigene Erfahrung zeigen klar, dass nur wenige nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit die Sprachen, die sie erlernt haben (sollten), auch wirklich sprechen.
Also ist die Diskussion nicht primär darüber zu führen, ob und wann eine Fremdsprache gelehrt / gelernt werden soll, sondern über das wie und wie gut!
Meine Meinung ist klar: eine Fremdsprache lernt man in der Schulstube mit den traditionellen Methoden und der beschränkten Anzahl Schulstunden nur ungenügend.
Wenn wir also diese Emotionen aus der Diskussion nehmen wollen, müssen wir neue Ansätze entwickeln, die die Fremdsprachen – sei es Englisch, Französisch oder Italienisch – so lehren, dass diese auch wirklich gelernt werden.
Ich sehe folgende Möglichkeiten:
1) Kindergarten zweisprachig führen. Zum Beispiel eine deutschsprachige und französisch- oder englischsprachige Lehrperson unterrichten gemeinsam. Ein Teil des Unterrichts wird in der entsprechenden Fremdsprache geführt. So lernt man die Sprache im Kontext und natürlichen Umfeld und nicht nur aus dem Lehrmittel. Dieser Ansatz hat sich in Schulen im Ausland sehr bewährt. (Unser Sohn lernte so gleichzeitig Chinesisch und Englisch)
2) Ein ähnliches Modell könnte man auch in der Primarschule weiterführen. So könnte man zum Beispiel Zeichnungslektionen konsequent in Englisch und Turnstunden konsequent in Französisch unterrichten.
3) Man sollte konsequenten Schüleraustausch betreiben: für 2 Wochen 50 Prozent der deutschschweizer Klasse in eine welsche Klasse und umgekehrt und die nächsten 2 Wochen die anderen 50 Prozent.
4) Es ist auch zu überlegen, ob man Intensiv-Sprachwochen in den Lehrplan aufnimmt. Zwei oder drei Wochen ins Welschland / Deutschschweiz oder nach England: mit intensiv-Kursen vor Ort in denen nur die entsprechende Sprache gesprochen wird. Anstatt ins Skilager fährt man ins Französischlager! Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass das Wunder wirkt.
5) Das Bildungssystem sollte freiwillige, mehrwöchige Ferien-Sprachkurse im anderen Landesteil anbieten, die auch entsprechend finanziell unterstützt werden.
Die Liste kann beliebig ergänzt werden.
Wenn wir unseren Kindern Fremdsprachen so beibringen wollen, dass sie sich darin auch unterhalten können, sind die bisherigen Ansätze untauglich. Die obigen Massnahmen werden auch Mehrkosten verursachen, die wir in Kauf nehmen müssen.
Entweder ist es uns ernst mit den Fremdsprachen an unseren Schulen, oder wir wollen weiter darüber schwadronieren, ob der Kanton Thurgau in den Senkel gestellt werden soll und ein knappes “Bonjour” den Zusammenhalt der Schweiz garantiert oder eben aufs Spiel setzt!
[su_color_text]Nachtrag:[/su_color_text]
Ein Leser meines Blogs hat mit untenstehenden Artikel von Remo Largo zukommen lassen. Es ist erstaunlich wie sich meine obenstehenden Gedanken mit den Ausführungen des Experten treffen. Mir war diese Artikel beim Schreiben des Beitrages nicht bekannt:
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