Lee Kuan Yew (LKY), der erste Premierminister von Singapur, hat mit unglaublich visionärer Weitsicht, mit eiserner Faust und harter Arbeit aus einem verschlafenen Fischerdorf in nur 50 Jahren eine Weltmetropole gemacht.
Es lohnt sich, seine Konzepte und Vorgehensweisen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich sehe viele Parallelen mit unserem Erfolgsmodell Schweiz.
Das Beispiel Singapur bietet guten Anschauungsunterricht, was es zum Erfolg eines (Klein-) Staates braucht.
Ich durfte persönlich während 13 Jahren hier leben. Nach anfänglicher Ablehnung und Kritik am System und des “Singapore Ways“ habe ich im Laufe der Zeit immer besser begriffen, welche Konzepte dieses politische Genie LKY als Basis für seine minutiös geplante Strategie angewendet hatte.
Viele Kritikpunkte, die dem einen oder anderen Leser jetzt spontan in den Sinn kommen, waren auch bei mir anfänglich präsent und hatten zu heftigen Diskussionen mit lokalen Freunden geführt. Natürlich ist das System keine Demokratie nach westlichem Muster, auch wenn es Demokratie genannt wird. Die fehlende Pressefreiheit wirkt auf den ersten Blick störend und die Todesstrafe ist nicht genau das, was ich als angebrachte Strafform ansehe. Aber diese einzelnen Kritikpunkte drohen den Blick auf das Grosse zu verstellen. Die Resultate sprechen für sich.
Nach dem Scheitern der Union mit Malaya im Jahre 1965 stand LKY und mit ihm die ehemalige Britische Kronkolonie vor dem Abgrund. Ein Land ohne Verbündete und ohne Ressourcen konnte nur mit einer starken Hand, einer klaren Strategie und den besten Leuten vor dem Niedergang gerettet werden.
LKY musste Methoden und Konzepte anwenden, die eine grosse Wahrscheinlichkeit hatten, zu reüssieren, denn eine zweite Chance gab es kaum. Es waren seine Persönlichkeit, die ständige Sorge um den Fortbestand dieses kleinen Inselstaates und der Zeitdruck, die das System eher autoritäre Charakteristiken annehmen liessen.
LKY war zeitlebens überzeugt, dass eine Demokratie nach westlichem Muster nicht mit den „Asian Values” zu vereinbaren ist. Er wollte damit wohl sagen, dass das asiatische Unternehmertum und die Kreativität bei zu viel Freiheit unweigerlich zum Chaos führen würden. Zudem mögen Asiaten klare, hierarchische Strukturen. Ein Mitarbeiter arbeitet zuerst für den Chef und nicht für die Firma.
Doch was sind nun die Pfeiler des Systems LKY’s, die dieses unglaubliche Resultat möglich machten?
Der junge Premierminister wusste, dass er die besten Leute um sich scharen musste und dass diese Leute absolute Integrität besitzen sollten. Korruption, so folgerte er, musste von allem Anfang an rigoros bekämpft werden. Eine korrupte Führung würde nie die Legitimation erfahren, die ihm vorschwebte.
Singapur war umgeben von unlöblichen Beweisen dieser Tatsache.
Er erkannte rasch, dass eine erfolgreiche Wirtschaft die nötige Basis für ein Gelingen seiner Vision darstellte. Das Land musste Beschäftigung für die Bürger kreieren und damit genügend finanzielle Mittel, um den Aufbau des Landes zu bezahlen.
Eine prosperierende Wirtschaft braucht eine liberale Wirtschaftsordnung. LKY holte als erster Staat in Asien bewusst multinationale Firmen ins Land. Mit entsprechenden Fördermassnahmen und einer rasch erstellten Infrastruktur schaffte er ausgezeichnete Rahmenbedingungen. Die Firmen kamen und schufen unzählige Arbeitsplätze.
Natürlich brauchten die neu angesiedelten Firmen gut ausgebildete Arbeiter und Vorgesetzte. Er investierte rasch in ein modernes Schulsystem und eigene Universitäten.
LKY erkannte auch, dass Singapur als kleines ressourcenarmes Land – umgeben von viel grösseren, vorwiegend muslimischen Ländern – gute Freunde brauchte.
Freunde, die auch bereit sind, für einen einzustehen, schafft man sich, wenn man für diese wichtig ist. LKY verstand es ausgezeichnet, sowohl mit den USA, wie auch mit China und vielen anderen Ländern ausgezeichnete Beziehungen aufzubauen. Kein anderer Staatsmann eines solch kleinen Landes konnte nach Washington oder Peking reisen und wurde mit hundert-prozentiger Garantie vom jeweiligen Staatsoberhaupt empfangen. Lee war gesamthaft 33 Mal in offizieller Mission in China und hat sehr früh erkannt, welche Rolle China in der Weltpolitik spielen wird. Singapur unterhält bis heute ausgezeichnete Beziehungen zu China.
Singapur hat sich einer bewaffneten Neutralität verschrieben, sehr ähnlich dem schweizerischen System. Die Armee in Singapur gilt als die mit Abstand am besten ausgerüstete Armee in ganz Asien.
Eine dermassen ethnisch und religiös verschiedenartige Bevölkerung zusammenzuhalten, war und ist eine der wichtigsten Aufgaben. Das ist einerseits durch strikte Gesetze, die rigoros durchgesetzt werden und andererseits durch absolute Nulltoleranz in Bezug auf religiöse oder ethnische Diskriminierung möglich.
Lee hat immer klar ausgesprochen, dass er nichts von sozialistischen Idealen hält, die versuchten, alle Menschen gleich zu machen. Aber es war ihm wichtig, dass alle die gleiche Chancen haben. Er glaubte inbrünstig an eine Leitungsgesellschaft, in der die tüchtigsten und mutigsten die Früchte ihrer Ideen und harten Arbeit ernten sollen – ohne Einschränkungen.
Im Weiteren stark beeindruckt mich die Weitsichtigkeit von LKY und seinem Team. Es war klar, dass sich Singapur in diesem dynamischen asiatischen Umfeld nicht allzu lange als Produktionsstandort für einfache Fabrikarbeiten wird halten können. Er hatte mit einem Team von Ratgebern jeweils Jahre im Voraus den Umbau der Wirtschaft vorbereitet. Er war sich auch nicht zu schade, gute Ideen aus anderen Ländern zu übernehmen und lokal anzupassen und umzusetzen. So hat sich die Wirtschaft kontinuierlich entwickelt und es wurde zuerst die Petrochemische Industrie, die Pharma-Industrie, dann die Elektronik-Industrie, gefolgt von der Biotechnologie bis zu den Dienstleistern wie Banken und Versicherungen ins Land geholt.
Für mich ist die Erfahrung sehr bereichernd, bestätigt zu sehen, dass sich mit einer starke Wirtschaft als Basis, einer fähigen Regierung, einem schlanken Staat, mit gut ausgebildeten Bürgern, einer starken Armee, der besten Infrastruktur, einer Gesellschaft, in der sich Leistung lohnt und gute Beziehungen zu den Nachbarn und den grossen Mächten aus einem unbedeutenden Fischerdorf im Schnellzugstempo, in 50 Jahren, ein Erst-Welt-Land machen lässt.
Die Wirtschaftsleistung pro Kopf (PPP) ist in der Zwischenzeit grösser ist als diejenige der Schweiz.
Stellen wir also sicher, dass auch wir diese urliberalen Erfolgsfaktoren, die eben universell gelten, in der Schweiz wieder in das Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler bringen.
Sie sind das Fundament eines jeden erfolgreichen und unabhängigen Staates. Die Fakten sprechen für sich – in der Schweiz und in Singapur.
Herr Lee Kuan Yew ist am 23. März, 2015 im Alter von 91 Jahren verstorben.
Er war, nach der Abspaltung von Malaysia in Jahre 1965, der erste Premierminister von Singapur. Er hat mit seiner autoritären, aber gleichzeitig weitsichtigen Führung während mehr als 60 Jahren, bis zu seinem Tod, die Geschicke dieses Landes entscheidend geprägt.
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